Standpunkt zum Thema Kinder aus den Überschwemmungsgebieten im Westen Deutschlands
Zusammenfassung
Die Fluthilfe ist ein Thema, das ganz klar im Kommunalwahlkampf und im Wahlkampf um das Oberbürgermeister:innenamt hier in Delmenhorst nichts zu suchen hat!
Wer nun krampfhaft eine Möglichkeit sucht, das Thema doch für sich zu besetzen und dabei Grenzen überschreitet, darf kritisiert werden.
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Mehr über ... Flutkatastrophe

Die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands hat schlimme Schäden angerichtet. Neben dem wirtschaftlichen Schaden sind Menschenleben betroffen. Menschen sind verletzt oder gestorben, andere haben ihr Zuhause verloren und sind nun auf unsere Hilfe angewiesen.
Beeindruckend ist die große Hilfsbereitschaft hier in unserer Region. Katastrophenschutz und Sanitätsdienst, private Unternehmen, Landwirte und Mittelständler und natürlich Bürgerinnen und Bürger packen an, spenden und sammeln, koordinieren und transportieren. Damit wird den Menschen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz geholfen, und das ist direkte Hilfe, die ankommt. Die Menschen, die hier vor Ort unaufgeregt und sehr effizient helfen und Hilfe organisieren, sind Held:innen, die genau das tun, was benötigt wird. Wir schulden ihnen allen einen riesigen Dank.
Die Fluthilfe ist ein Thema, das ganz klar im Kommunalwahlkampf und im Wahlkampf um das Oberbürgermeister:innenamt hier in Delmenhorst nichts zu suchen hat!
Wer nun krampfhaft eine Möglichkeit sucht, das Thema doch für sich zu besetzen und dabei Grenzen überschreitet, darf kritisiert werden.
In der heutigen Zeitung wird berichtet, dass der OB-Kandidat Murat Kalmis fordert, dass die Stadtverwaltung “100 Kinder aus dem Kreis Ahrweiler in den Sommerferien” hier in Delmenhorst aufnehmen soll. Es ist die Rede davon, diese Kinder im Stadion oder in Turnhallen aufzunehmen, und ein Verein soll für Essen, Kleidung und Hygieneartikel sorgen.
Die Kinder sollen aus dem Krisengebiet “entfernt” werden, heißt es.
Was bedeutet das konkret?
Kinder, deren Familienangehörige oder deren Zuhause von den Fluten überrascht wurden, sollen aus ihrem bekannten Zuhause, aus ihrer Familie “entfernt” werden? Von Eltern und anderen Bezugspersonen separiert werden? Damit die Eltern “in Ruhe” wieder aufbauen können? Gerade in extremen Situationen geben Familien aneinander den größten Halt.
Bereits von Geburt an haben Kinder ein natürliches Bindungsbedürfnis. Dies sichert ihr Überleben. Sie suchen Schutz und Nähe bei einer Bezugsperson. Dieses Bedürfnis ist jedoch nicht immer gleich. Besonders stark ausgeprägt ist es, wenn Kinder Angst oder das Gefühl haben, von der Bindungsperson getrennt zu sein. Nach einer traumatischen Situation, wie das plötzliche Überfluten ganzer Ortschaften und die Zerstörung der Wohnhäuser ist gerade bei Kindern die Angst groß. Umso mehr gewinnen Bindungspersonen wie die eigenen Eltern, Großeltern und bei älteren Kindern auch Freunde an Bedeutung. Weiterhin ist die Erfahrung, mit Menschen, die Ähnliches erlebt haben und der Austausch darüber eine Säule, um die Erfahrung zu verarbeiten und einer posttraumatischen Belastungsstörung vorzubeugen.
Kinder aus Überschwemmungsgebieten jetzt aus ihren Familien zu reißen, führt zu weiteren Traumatisierungen und ist daher unserer Auffassung nach schädlich.
Auch das Wort “entfernt” hat eine negative Konnotation, die gedankliche Verbindungen zu einem sehr dunklen Kapitel der deutschen Geschichte erweckt. Der O‑Ton des Antrages erinnert an das zum Glück heutzutage kritisch gesehene Werk von Johanna Haarer „Die (deutsche) Mutter und ihr erstes Kind“, indem Bindungsbedürfnisse von (Klein)Kindern missachtet werden.
Wir sprechen uns dagegen aus, Anträge zu formulieren, in denen Bedürfnisse und Rechte von Kindern keine Berücksichtigung finden oder gar missachtet werden.
Wer so etwas fordert, der hat den Bezug zu den Menschen verloren, dem geht es nur um den Effekt, die Schlagzeile und die Aufmerksamkeit.
Stattdessen ist es sinnvoll, Hilfe sinnvoll und zielgerichtet zu unterstützen wie insbesondere Spendenaufrufen nachzukommen oder ausgebildete Seelsorger, wie sie die Malteser bereithalten, in die Krisengebiete zu entsenden. In vielen Überschwemmungsgebieten gibt es regionale Krisenstäbe, die Hilfe gezielt koordinieren und Auskunft darüber geben können, was aktuell gebraucht wird. Auch Geldspenden helfen den Menschen und Kindern vor Ort. Wer speziell Kinder aus den Überschwemmungsgebieten helfen möchte, kann an der Schuhkarton-Aktion der Facebookgruppe „Hochwasser Hilfegruppe Delmenhorst“ teilnehmen. Neben festen Anlaufstellen für Sachspendenabgabe wurden hier in kürzester Zeit Transportmöglichkeiten ins Leben gerufen, die die Spenden dorthin bringen, wo sie dringend gebraucht werden. Wer einen Schuhkarton für ein betroffenes Kind spenden möchte, erfährt in der Gruppe, was genau in diesen Schuhkarton gepackt werden kann.
Eine professionelle Einschätzung eines Seelsorgers
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Jetzt habe ich mir in Ruhe den Artikel im dk und bin auch dem Link zur professionellen Einschätzung des Seelsorgers gefolgt. In Eurem Statement fehlt mir eine Differenzierung. Erstens wird pauschal (auch bei M. Kalmis) von “Kindern” gesprochen, ohne auf das Alter einzugehen. Ein 10jähriges Kind kann sicher schon entscheiden, ob es eine Weile aus dem Chaos weg möchte, während ein 2jähriges wohl eher die beschriebene Bindung benötigt. Aber auch innerhalb einer Altersstufe gibt es individuelle Unterschiede des Entwicklungsstandes. Der verlinkte Seelsorger erwähnt ja auch den Aspekt des Echoing, der durchaus auch kontraproduktiv sein kann.
Dass Herr Kalmis mit Entwicklungspsychologie nicht vertraut ist, muss auch nicht erwartet werden. Aber den Eltern quasi vorzuschreiben, dass sie alles wieder aufbauen sollen und zu diesem Zweck ihre Kinder wegschicken sollen, zeigt schon eine gewisse Vorstellung, wie die Welt zu funktionieren hat.
Die Idee an sich aufzugreifen, erscheint mir aber auch in einem Wahljahr nicht verboten. Genauso ist Herr Kuty abgebildet, wenngleich auch ohne Kommentar und genauso kann euer Angriff auf Herrn Kalmis als politische Äußerung gegenüber einem Mitbewerber interpretiert werden. Auch an der von Euch empfohlenen Schuhkartonaktion gibt es sicher etwas zu mäkeln, darauf gehe ich jetzt nicht weiter ein.
Schließen möchte ich mit der Frage, warum eine Unterkunft den Betroffenen nicht einfach angeboten werden kann (ohne den Begriff des “Entfernens” zu benutzen). Und damit meine ich nicht nur die Kinder, sondern auch deren Eltern. Eine Turnhalle halte ich dabei für völlig falsch. Wenn ich mich recht erinnere, haben gerade die Delmenhorster in der letzten Flüchtlingskrise anfangs mit viel Einsatz ihre persönliche Hilfe angeboten. Gerade die nach dem Krieg Vertriebenen zeigten große Solidarität; zumindest ist das meine subjektive Wahrnehmung als “Flüchtlingsenkel”. Es gibt sicher einige Menschen in unserer Stadt, die ein Zimmer zur Verfügung stellen könnten. Das erzeugt auch die vielbesungene Selbstwirksamkeit, die zufriedener macht, als in der Lokalzeitung zu lesen, welche Partei gerade welches Hilfsangebot favorisiert. Einen Aufruf in dieser Art überparteilich zu starten, würde ich sehr begrüßen.
Viel Erfolg